
Naturpark Sintra-Cascais
Sintra/Cascais, da irgendwo
Was man in den Besucherhorden von Sintra oder an der „Riviera“ leicht übersehen kann: die Gegend rund um das touristische Epizentrum ist wunderschön. Wer den Massen entkommen möchte, findet im Naturpark Sintra-Cascais weniger luxuriöses Brimborium als viel mehr wilde Natur mit grandiosen Ausblicken an einem spektakulären Küstenabschnitt. Nehmen Sie sich einen langen Tag Zeit oder planen sogar eine Übernachtung ein – wenn Sie den Roadtrip auf das historische Zentrum von Sintra ausdehnen möchten, ist das eine gute Idee, da der Andrang am späten Nachmittag deutlich nachlässt bzw. erst im Laufe des Vormittags extrem wird.
Die bequemste und touristische Option für eine Erkundung der Gegend ist die uralte offene Tram ab Sintra bis zum Strand und später wieder zurück. Kann im Sommer voll werden und Wartezeiten provozieren.
Die Küste westlich von Lissabon
Nicht wenige Leute verbringen ihren gesamten Urlaub an der portugiesischen Riviera und setzen dabei vor allem auf Estoril & Cascais. Kann spannend sein, mal einen Blick ins 007-Casino zu werfen oder auf dem steilen Platz, mit Ausblick und in den Dünen neue Herausforderungen des Golfsports anzunehmen. Persönlich würden wir nach einem kurzen Spaziergang durch die nette City von Cascais Mittag beim Belgier und dann den nächsten Stopp an der Boca do Inferno machen. Klar gibt es auch Festungen, Villen und Museen – bei Fragen gerne fragen oder ins eigene Kapitel dazu gucken. Wer Bier anderer Art mag, deckt sich mit Umweg bei Pato ein.
In und um Cascais lebt heute noch Hochadel. Der spanische Ex-Monarch Juan Carlos verbringt hier große Teile seiner Jugend und erschießt in Estoril möglicherweise seinen kleinen Bruder. Aufgeklärt wird das nie, weil Juans Papa die Waffe im Meer versenkt. Geschichten dieser Art verbergen sich hinter den teuren Fassaden jede Menge.
Die Küste nach oben
Ein paar Minuten nach Cascais-City stehen sie an der Boca do Inferno. Kann man an hübschen Gebäuden vorbei durch den Ort auch nett hin spazieren. Der „Höllenschlund“ ist eine Felsspalte, durch die massiv Wasser drückt und Wellen an Land schleudert. Wie beeindruckend das ist, zeigen 1896 die ersten bewegten Bilder einer Höhle überhaupt: auf einer Tour durch Iberien wollen zwei englische Filmemacher die Überlegenheit einer tragbaren Filmkamera beweisen und drehen dabei unter anderem A Sea Cave Near Lisbon. Zu sehen gibt es ein paar Minuten lang Wellen aus einem einzigen Blickwinkel, in London feiert man das genauso wie Werke namens Die Abfahrt des Herzogs von Braganza oder Frauen holen Wasser am Nil. Heute klingt das banal, damals zeigt es riesiges Potenzial des neuen Mediums. Konkret lobt man Perspektive und die Idee, den Wellengang durch die Höhle „einzurahmen“.
Diese Geschichte ist im Zweifel noch weniger bekannt als der eigentliche Grund für die moderne Prominenz des Ortes: 1929 bringt sich ein sehr junger Schriftsteller von überschaubarer Bekanntheit im Wasserloch um, ein Jahr später inszeniert der berühmte Okkultist Aleister Crowley hier im Anschluss an eine Trennung seinen Selbstmord nach Regie von Fernando Pessoa, Abschiedsbrief inklusive – in Wahrheit stirbt er fast 20 Jahre später in England. Wildromantisch ist es am Höllenschlund nach wie vor, gerne getrübt von Touristengruppen, die Selfies schießen, bevor sie hektisch auf dem Markt nebenan Mist kaufen, bevor der Bus abfährt. Auf der Straßenseite gegenüber gibt es eine Turmruine der Tejo-Befestigung mit bestem Blick, wenn denn mal zugänglich.
Die Casa da Guia ist eigentlich ein Gartencenter, das eine Reihe von Bars und Restaurants bietet. Von der Straße eher unauffällig, weil alle auf den Leuchtturm gucken. Tolle Ausblicke mit Snacks oder Mittagessen, abends gibt es Stimmung und Musik in der irgendwie zu teuren Eco-Lodge Palaphita.
Guincho
Auf der Weiterfahrt kommt Ihnen meistens Sand entgegen. Der wandert von einer etwa fünf Kilometer entfernten Düne über Land, um bei Guia wieder ins Meer zu wehen. Gestört wird das Ökosystem durch viele Befestigungsanlagen aus verschiedenen Kriegszeiten, die heute wahlweise als Museum, Eventlocation oder gar nicht mehr genutzt werden. Für die Natur bedeuten die massiven Bauten, dass sich der Sand Umwege sucht und dadurch Verwehungen provoziert, die gerne mal die Straße verschwinden lassen: etwa zehn Meter im Jahr wandert die Cresmina-Düne. Ein Spaziergang rund um das Beobachtungszentrum finden alle gut, zumal er beliebig ausgedehnt oder abgekürzt werden kann und es eine Bar gibt.
Besser geht immer, wer deutlich zu viel Geld ausgeben möchte, setzt sich auf einen Drink in die Fortaleza do Guincho, bezahlbar ist die Bar do Guincho direkt am Strand. Dieser Strand dient öfters als Kulisse für leichtbekleidete Auftritte von Musikschülern aus der miserablen Teeny-Soap Morangos com Açúcar – und die kennt seit dem „Erdbeer-Syndrom“ jeder: als ein albernes Virus über die schauspielerisch nicht zwingend Hochbegabten herfällt, melden sich über 300 portugiesische Schüler ausgerechnet im Prüfungszeitraum mit erfundenen Symptomen krank. Durch die Massenhysterie entsteht eine nationale Diskussion, in deren Ergebnis eine Reihe von B-Prominenten heute durch Privatfernsehen und -radio nerven darf.
Wer gerne wandert, könnte eine große oder kleine Tour um das Heiligtum von Peninha gut finden – auch die Kapelle alleine ist einen Abstecher wert. Die Geschichte stammt aus dem 16. Jahrhundert und erzählt von einem Hirten, der dank Mutter Gottes Brot für sein ganzes Dorf findet. Die heutige Optik kommt vom Erbauer der Quinta da Regaleira.
Der westlichste Punkt Europas
Wer Neugier sät, wird Wind ernten: am Cabo da Roca weht es Opa einmal den Hund fast weg, und an dem Tag ist schönes Wetter! Wo laut schwurbeligem Nationalmythos „die Erde endet und das Meer beginnt“, steht einer von Portugals ältesten Leuchttürmen (den man wie viele andere bis runter nach Sesimbra baut, weil die heutige „blaue Küste“ erstmal „schwarze Küste“ heißt). Den Respekt der frühen Seefahrer vor dem Atlantik kann man sich vorstellen, wenn im Hochsommer die Nase abfriert, während man sich den Hut mit beiden Händen festhält. Mehr Steilküste als am Rest der Küste ist hier auch nicht, was bleibt ist die Geschichte von einer Viertelstunde am historischen Ende der Welt. Sparen Sie sich die Souvenir-Bar zugunsten der fast auf dem Weg liegenden Dom Quixote-Mühle mit Wahnsinns-Blick über den Küstenabschnitt.
Eine Viertelstunde vom Kap entfernt kann man Colares kennenlernen, ein mit 20 Hektar winziges Weinanbaugebiet, dass im 13. Jahrhundert durch die Burgunderkönige etabliert wird. Sandige Böden halten die Reblaus fern, weshalb viele Reben uralt sind. Das Zeug ist tendenziell teuer, Proben unter der Woche ganztägig, samstags am Vormittag.
Azenhas do Mar
Drei Optionen: entweder Sie kommen sehr spät nach Hause, suchen sich noch das eine oder andere Hotel, oder Sie drehen die Tour einfach um und fangen im Norden an – dann kann man sich auf dem Rückweg überlegen, was man weglässt. Azenhas do Mar hat jetzt keine krasse Geschichte oder massig kulturelle Highlights, es ist einfach ein Dorf an der Steilküste, das eine tolle Kulisse bietet und fotografisch auf Social Media durch die Decke geht. Hat man schnell gesehen, man weiß intuitiv auch, wo man essen gehen sollte.
Das Arribas Sintra Hotel liegt direkt am Praia Grande, an dem man als Surfer unbedingt sehen und gesehen werden muss. Je nach Wetter, im besten Fall von April bis Oktober, kann man auch einfach nur Tagestickets für den riesigen Meerwasserpool am Strand kaufen. Ab 28 Euro für ein Familienticket.